MINT-Herbstreport 2022

von Magdalena Hein

Wieder ist die Lücke zwischen MINT-Bewerber:innen und offenen MINT-Stellen mit 326.000 deutlich gewachsen. Der Frauenanteil unter den MINT-Arbeitskräften ist – mit 4%-Plus bei den MINT-Akademiker:innen und mit 1%-Plus bei den MINT-Fachkräften – hingegen viel zu wenig gewachsen. Gerettet hat uns in Deutschland in den vergangenen 10 Jahren die Zuwanderung. Ohne sie wäre die Lücke heute mehr als doppelt so groß. Darüber hinaus geht das durchschnittliche Kompetenzenniveau von Schüler:innen zurück und von Chancengerechtigkeit in der MINT-Bildung sind wir weit entfernt. Das sind aus meiner Sicht sehr komprimiert die wesentlichen Ergebnisse des MINT-Herbstreports. 

Was müssen wir MINT-Förder:innen tun? Der Report adressiert mehrere Aktionsfelder von lang- bis kurzfristig, die alle sinnvoll sind. Besonders starke Hebel liegen  meines Erachtens in den folgenden Feldern: 

MINT konsequent in Transformationskontexten denken und co-kreativ entwickeln 

Einer der zentralen Erfolgsfaktoren sowohl bei der MINT-Bildungsarbeit als auch bei der MINT-Nachwuchskräfteförderung ist die Einbettung von Maßnahmen in die großen Transformationskontexte. Dieser inhaltliche und kommunikative Strategiewechsel ist im Herbstreport mit den Begriffen Dekarbonisierung, Digitalisierung und Demografie sehr gut angelegt, gelingt aber noch nicht konsequent, weil der Report sich noch sehr stark an Fächern, Berufsbildern und Branchen orientiert. Auch bei den Handlungsempfehlungen fordert er noch nicht ganz konsequent eine Einbettung der Maßnahmen in die großen Transformationskontexte. Ganz wesentlich kommt es nun darauf an, in einem ernsthaften und methodischen sehr guten Co-Kreationsprozess auch mit jungen Menschen gute und attraktive Lösungswege für die Einbettung in die großen Transformationskontexte neu zu denken. Dafür schlage ich auch vor Kooperationen auf Augenhöhe mit Bewegungen wie Fridays-for-Future oder anderen zu entwickeln. 

MINT-Herbstreport
Magdalena Hein, Bereichsleiterin MINT der matrix und Leiterin der Landesgeschäftsstelle zdi.NRW

Individuelle Förderung und Differenzierung 

Bildungsferne Gruppen für eine systematische MINT-Förderung zu gewinnen ist wesentlich. Dafür muss das Bildungssystem insgesamt soziale Nachteile endlich ausgleichen. Zwei Lehrkräfte im Klassenzimmer als Standard würden die erforderliche individuelle Begleitung möglich machen. Gleichzeitig müssen wir MINT-Förder:innen außerschulische Angebote ausdifferenzieren und auch sehr niedrigschwellige Angebote schaffen, die Chancen von MINT-Berufen sehr viel deutlicher nach vorn stellen und Lehrkräfte dabei unterstützen, gezielt Schüler:innen aus bildungsfernen Haushalten zu fördern. Auch das im Herbstreport erwähnte Feedback-System, das auf individuelle Stärken von Schüler:innen eingeht und sie zu MINT-Fächern ermutigt, würde hier eine zielführende Wirkung entfalten. 

Tabufreier Umgang mit Studienzweifel, um Studienerfolg zu erhöhen 

Beim MINT-Lehrkräfte-Nachwuchs brauchen wir nicht nur mehr Studierende, sondern auch einen ganz anderen, tabufreien Umgang mit sowie eine pro-aktive Begleitung von Studienzweifel, um letztlich den Studienerfolg vieler zu erhöhen. Damit sich überhaupt mehr junge Menschen für den Lehrer:innen-Beruf entscheiden, braucht es eine langfristige Imagekampagne, die aus Kommunikationsmaßnahmen und Systemreformen besteht.  

Diversität endlich leben 

Und last-but-not-least zeigen auch aktuelle Debatten wie etwa vor wenigen Tagen in der Hochschulrektor:innen-Konferenz (HRK) zum Initiativantrag zum Thema “Frauenförderung / Chancengerechtigkeit in Hochschulen” überdeutlich, dass wir gerade in Deutschland auch bei der Diversität in der MINT-Förderung in allen Phasen von MINT-Bildung und MINT-Berufslaufbahn noch wirklich ganz am Anfang stehen. 

Packen wir’s gemeinsam an! Bringen wir MINT in Motion! 

Den MINT-Report finden Sie hier.