Das FabLab Kamp-Lintfort – die Erfolgsfaktoren

Die Kunst ist, durch neue Projekte neue Förderungen zu akquirieren und trotzdem nicht ständig eine neue Sau durch das Dorf zu treiben, sondern eigene Schwerpunkte auszubilden.“

DR. MARTIN KREYMANN

Hallo Herr Dr. Kreymann, herzlich willkommen bei der matrix. Wir wollen über die Erfolgsfaktoren eines FabLabs sprechen. Lassen Sie uns direkt einsteigen: Ein FabLab will digitale Fertigungstechnologien verfügbar machen – für jeden und jede. Es geht vor allem um das Selber-Machen und um den offenen Austausch von Wissen, Maschinen und Erfahrung. Seit wann gibt es das FabLab Kamp-Lintfort?

FabLab Erfolgsfaktoren in Kamp-Lintfort
Dr. Martin Kreymann (zweiter von links) mit Team

Im Jahr 2013 war ich als Leiter des zdi-Zentrums Kamp-Lintfort auf einem Seminar. Mehr im Nebensatz hat der Referent in der Mittagspause ein FabLab erwähnt. Ich fand das interessant und habe zu Hause gegoogelt und schließlich mit einem Kollegen während einer Konferenz in Barcelona das dortige FabLab besucht. Dort trafen wir auf eine internationale FabAcademy-Gruppe, die bei größter Hitze bis spät in der Nacht mit großer Begeisterung gemeinsam an ihren Projekten arbeitete. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Seitdem hat mich die Idee nicht mehr losgelassen. Noch 2013 wurde ein EFRE-Antrag gestellt und bewilligt. 2015 eröffnete das FabLab Kamp-Lintfort an der Hochschule Rhein-Waal mit 600 qm Fläche. Es bietet die nötigen Maschinen wie 3D-Drucker, 3D-Scanner, Laser Cutter & Co., um eigene Ideen zu verwirklichen.

FabLab Kamp-Lintfort & matrix

Als matrix haben wir die Gründung des FabLabs Kamp-Lintfort an der Hochschule Rhein-Waal begleitet. Daraus entstanden ist eine wertvolle, lebendige Zusammenarbeit zwischen matrix und dem FabLab Kamp-Lintfort in den folgenden Projekten:

  1. HelpCamps: Wissenschaftler:innen, Hilfsmittelhersteller:innen, Maker:innen und Menschen mit Behinderung haben im FabLab gemeinsam neue technische Hilfsmittel entwickelt.
  2. MakeOpaedics: Maker:innen und Sanitätshäuser entwickeln gemeinsam digital gefertigte Open-Source-Prototypen wie z. B. ein sensorbasiertes Sohlensystem. Es ermittelt für Patient:innen mit einem Charcot-Fuß den Druck in einer Orthese, um Wundbildung vorzubeugen.
  3.  Zusammenarbeit im FabLab Tunisia: Das matrix-Team in Tunesien arbeitet an verschiedenen Projekten im größten FabLab des Landes. Dabei wurde es von einem erfahrenen Maker aus dem FabLab Kamp-Lintfort ausgebildet und angeleitet.

Sie waren maßgeblich an der Gründung des FabLabs Kamp-Lintfort beteiligt. Was war aus Ihrer Sicht in der Konzeptions- und Gründungsphase besonders wichtig für den Erfolg?

Zunächst ein glücklicher Zufall. Kurz nach der Barcelona-Reise fragte mich beim zdi-Statusgespräch der zuständige Regionalbetreuer von matrix, Klaus Bömken, was ich denn sonst noch so vorhätte. Daraufhin sagte ich, ich würde gerne ein FabLab gründen. Der Zeitpunkt war günstig. Er ermutigte mich, einen Antrag in einem passenden zdi-EFRE-Förderprogramm zu stellen. Die Hochschule hatte aus der Gründungsphase noch Eigenmittel, die zu Ende des Jahres verfallen wären, und war bereit sie einzusetzen. Zusätzlich gab es dann im Zuge des Umzugs auf den neuen Campus auch noch freie Räumlichkeiten.

Was war sonst noch wichtig?

Wichtig ist, dass die Ziele des Trägers mit den Zielen der FabLab-Bewegung synchronisierbar sind. Die Hochschule Rhein-Waal führt im Untertitel „Hochschule für angewandte Wissenschaften“. Das passt mit der FabLab-Idee ziemlich gut zusammen. Der Werbeslogan für die Hochschule war „innovativ – interdisziplinär – international“. Alle drei Begriffe passen wie die Faust auf’s Auge zum FabLab. Zudem passt das zdi-Konzept zu einer Aufgabe, die man im Hochschulbereich als „Third Mission“ bezeichnet, d.h. Wissenstransfer aus der Hochschule in die Gesellschaft und von der Gesellschaft in die Hochschule. Auch dieser Punkt passt sehr gut zum FabLab-Gedanken.

Zusätzlich wichtig war, sowohl in der Konzeptionierungsphase wie später in der Umsetzungsphase, dass wir gemeinsam mit den Partnern der Region alles durchgesprochen und geplant haben. Wir haben von Anfang an die IHK, die Regionalagentur Niederrhein und auch die interkommunale Wirtschaftsförderung Wir4 miteinbezogen. Auch spätere Förderanträge haben wir gemeinsam diskutiert pro und contra und haben auch bereits hier die Verzahnung diskutiert. Auch der Förderverein der Hochschule mit den ganzen Unternehmen der Region war noch wichtig.

War es leicht oder schwer, die Partner zu gewinnen?

Es war leicht. Das war insbesondere leicht, weil gerade das zdi-Zentrum von den Akteuren der Region gerne genutzt wurde. Wir waren ein einfacher Zugang für einen noch nicht so sehr zielgerichteten Kontakt zur damals neu gegründeten Hochschule, in die viele Hoffnungen gesetzt haben. Wir waren lokal in den Kommunen mit verschiedenen Maßnahmen sehr präsent, z. B. mit dem Programm „Haus der Kleinen Forscher“. Ich habe verschiedene Mützen auf: Ich bin zdi, Hochschule Rhein-Waal und FabLab. Darüber hinaus haben wir unzählige Führungen zum Beispiel gemeinsam mit der IHK gemacht. Wir haben Podiumsdiskussionen, Vortragsveranstaltungen von unterschiedlichen Akteuren gehabt, auch weil sie die Atmosphäre bei uns schätzen.

Ich verstehe: Wichtig ist, dass die Ziele des Trägers und des FabLabs zusammenpassen sowie ein starkes Partnernetzwerk in der Region das FabLab trägt. Richtig?

Ja, richtig. Aber im Grunde sind das ja Strukturen, die von der zdi-Landesgeschäftsstelle gewünscht sind, und letztendlich muss man auch das zdi-Netzwerk selbst unbedingt nennen, weil sie auch einen erheblichen Anteil an der Kommunikation hatten.

Heißt das, das zdi-Netzwerk ist ein wichtiger Erfolgsfaktor des FabLabs?

Ja, natürlich hat das zdi-Netzwerk auch das FabLab ermöglicht, zunächst wegen der EFRE-Mittel, aber auch, weil es dadurch einfach war, das FabLab an der Hochschule zu etablieren ohne Zuordnung zu einer bestimmten Fakultät.

zdi

Mit über 5.000 Partnerschaften mit Akteur:innen aus Wissenschaft, Schule, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ist zdi das größte MINT-Netzwerk seiner Art in Europa. In NRW gibt es über 70 zdi-Schüler:innenlabore und flächendeckende zdi-Angebote in allen Kreisen und kreisfreien Städten. Zukunft durch Innovation.NRW (zdi) ist eine Gemeinschaftsoffensive zur Förderung des naturwissenschaftlichen und technischen Nachwuchses in Nordrhein-Westfalen.

matrix ist seit über 15 Jahren als zdi-Landesgeschäftsstelle im Auftrag des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW tätig.

Das war jetzt sozusagen die Gründungsphase. Was war sonst noch wichtig für den Erfolg des FabLabs?

Im Betrieb hat sich dann schnell herausgestellt, dass es bei uns eine andere Art des Lernens gibt. MINT-Themen werden im FabLab durch „Machen“ neu greifbar. Als didaktisches Konzept setzt „Making“ auf die Entwicklung von Teamfertigkeiten und auf lösungsorientierte Projektarbeit. Arbeiten im FabLab ist vor allem ein Lernen in einem konkreten Prozess. Ein Beispiel: Bei uns lernt nicht jeder abstrakt ein Softwareprogramm. Der erste Kurs, den wir angeboten haben, hieß „Bau deinen eigenen 3D-Drucker“. Das haben dann die Schüler:innen auch tatsächlich gemacht. Und haben so Konstruieren mit einer Software gelernt, um ihr Bauteil dann in den Betrieb nehmen zu können. Die lernen dann eben CAD-Zeichnen, um ihr eigenes Gerät nutzen zu können.

Das ist die FabLab-Idee: projektorientiertes Lernen. Das heißt, dass man eine Idee hat und einem die Geräte zur Verfügung gestellt werden, um das zu machen. Dann muss man natürlich lernen, mit den Gerätschaften umzugehen, um sein Projekt wirklich umsetzen zu können. Und wenn man es nicht kann, dann muss man sich jemanden suchen, muss also ein Team bilden, mit dem man das macht. Durch die gemeinsame Suche nach Lösungen und Verbesserungen entsteht ein Zusammengehörigkeitsgefühl. FabLabs werden zu sozialen Räumen, in denen man Gleichgesinnte trifft, sich austauscht, Hilfe erhält und eigenes Know-how weitergibt, um gemeinsame Projekte zu entwickeln. Auch hier passen FabLab und Hochschule wieder gut zusammen. Jedes Jahr finden sich an der Hochschule Rhein-Waal Studierende verschiedenster Studiengänge in interdisziplinären Projekten zusammen, um verschiedene Aufgaben und Themen zu bearbeiten. Professoren oder auch Externe können Projekte vorstellen, zu welchen sich dann Teams bilden aus unterschiedlichen Studiengängen. Die Arbeit am Projekt ist dann ziemlich frei. Das Team organisiert sich selbst. Die Ergebnisse werden öffentlich präsentiert. Das kann eine Webseite für eine Kommune sein oder eine Bio-Anlage für einen Bauern oder ein neues Corporate Design für den Zoo in Kleve – sehr unterschiedliche Themen.

Das ist also auch für den Betrieb wichtig, dass zum Beispiel die projektorientierte Arbeitsweise von zdi & FabLab wieder zur Hochschule passen?

Ja, unbedingt. Eine weitere wichtige Rolle hat von Anfang an die internationale Vernetzung gespielt. Maker sehen sich als Teil einer internationalen Bewegung und vernetzen sich mit anderen FabLabs überall auf der Welt. Bewusst kombinieren FabLabs virtuelle und reale Aspekte. Zwar ist die Arbeit im FabLab lokal und räumlich verankert, ihre quelloffene Dokumentation (Open-Source) erlaubt aber weltweite projektbezogene, virtuelle Kollaborationen. Da alle FabLabs eine ähnliche Ausstattung vorhalten, werden über Austauschplattformen Dateien der digitalen Modelle angepasst und schließlich lokal produziert. Neue Versionen werden wieder der Community zur Verfügung gestellt. Wir hatten von Anfang an direkte Kontakte zur FabFoundation. Wir haben als erstes FabLab in Deutschland das Ausbildungsprogramm des MITs (MIT = Massachusetts Institute of Technology), die FabAcademy, übernommen. Wir nehmen an den Online-Vorlesungen der FabFoundation teil. Hier werden weltweit FabLabs zusammengeschaltet und erhalten einen konkreten Arbeitsauftrag. Das FabLab war ein wichtiger Treiber für die Internationalisierung der Hochschule. Wir arbeiten beispielsweise mit der Universität in Ghana und dem FabLab Barcelona zusammmen.

Ein ganz wichtiger Erfolgsfaktor in der Umsetzungsphase sind die Mitarbeiter:innen, ihre Leidenschaft und Begeisterung. Viele Studierende konnten durch die erfolgreiche Teilnahme an der FabAcademy später selbst als „Instructor“ (= Dozent/Trainer) das Programm weltweit begleiten (z. B. FabLab Irbid (Jordan), FabLab Berytech (Lebanon), FabLab O (China), FabLab Brighton (UK)).

Ich habe auch den Eindruck, dass jemand, den einmal das FabLab-Fieber gepackt hat, nicht mehr von der FabLab-Idee lässt. Wie viele Mitarbeiter:innen arbeiten heute im FabLab Kamp-Lintfort?

5 Mitarbeiter:innen sind fest angestellt, 2 Mitarbeiter:innen arbeiten auf 450-Euro-Basis. Außerdem gibt es Studentische und Wissenschaftliche Hilfskräfte. Dazu kommen zur Zeit noch ca. 5 Mitarbeiter:innen aus unterschiedlichen Projekten.

Was ist aus Ihrer Sicht noch wesentlich für den erfolgreichen Betrieb?

Ein kritischer Faktor ist die Dauerförderung. Auch nach fast 10 Jahren ist diese bei uns noch nicht so stabil, wie wir das gerne hätten. Die Grundsicherung ist durch die Finanzierung des Personals sowie die kostenlose Nutzung der Räumlichkeiten vorhanden. Die Kunst ist, durch neue Projekte neue Förderungen zu akquirieren und trotzdem nicht ständig eine neue Sau durch das Dorf zu treiben, sondern eigene Schwerpunkte auszubilden.

Wollen Sie uns noch ein Schlusswort mit auf den Weg geben?

Aus meiner Sicht gehören FabLab und Hochschule zusammen. Ich bin nach fast 10 Jahren immer noch total begeistert von der FabLab-Idee und freue mich über jedes neu gegründete FabLab.

Erfolgsfaktoren FabLab Kamp-Lintfort:

1|8

Ziele von Trägerin und FabLab passen zusammen.

2|8

Finanzierung und Unterstützung durch zdi und EFRE.

3|8

Finanzierung und Räumlichkeiten durch die Hochschule als Trägerin.

4|8

Niederschwellige Eingangstür in die Hochschule für zahlreiche Partner:innen.

5|8

Wissenstransfer zwischen Hochschule und Unternehmen der Region.

6|8

Internationalisierung und Qualifizierung in der FabAcademy und durch das FabLab-Netzwerk.

7|8

Engagierte Mitarbeiter:innen.

8|8

Profilbildung durch eigene inhaltliche Schwerpunkte.

Mehr über das FabLab Kamp-Lintfort an der Hochschule Rhein-Waal erfahren Sie unter: https://fablab.hochschule-rhein-waal.de/

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