Frauen für Labs begeistern

Hallo Adriana, herzlich willkommen!

Als Teil unserer Interview-Serie Creative Hubs & Labs wollen wir heute über das Thema Frauen in Labs sprechen. Bitte stelle dich doch erstmal selbst vor: Wer bist du? Was machst du? 

Ich bin Adriana Cabrera, Industriedesignerin und komme aus Kolumbien. Die FabLab-Idee habe ich in Berlin kennengelernt und sie hat dafür gesorgt, dass ich in Deutschland geblieben bin. 2016 habe ich an der Hochschule Rhein-Waal in Kamp-Lintfort die FabAcademy absolviert. Die Technologie, aber vor allem der Mindset der FabLab-Bewegung haben mich dann ganz von diesem Konzept überzeugt. Heute bin ich Mitarbeiterin der matrix und Guru, also Trainerin, der FabAcademy und der Fabricademy. Mich interessiert besonders die Verbindung von Technologie und Textil, also smarte Textilien. Daraus werden Wearables oder Assistenzsysteme, die Menschen in ihrem Alltag unterstützen.

Frau in Labs – Adriana Cabrera

Was begeistert dich am FabLab-Gedanken am meisten?

Ein FabLab ist für mich eine Umgebung mit Maschinen, mit Wissen, mit Austausch, gemäß dem FabLab-Motto „make. learn. share.“. Auf der lokalen Ebene verwirklichen wir hier Ideen – ganz konkret. Auf der globalen Ebene lebt das FabLab vom Austausch. Wir sind wie eine weltweite Familie mit ähnlichen Gedanken und Arbeitsweisen. Wir ergänzen uns und arbeiten zusammen. Deshalb fühle ich mich in jedem FabLab weltweit zu Hause. Uns verbindet die Leidenschaft. Wir wollen etwas machen. Natürlich müssen FabLabs auch wirtschaftlich überleben, aber der wirtschaftliche Verwertungsgedanke steht nicht im Vordergrund. Was uns wirklich antreibt, ist die Zusammenarbeit, Teil einer Bewegung zu sein, Demokratisierung von Wissen und die Solidarität untereinander. 

In Creative Hubs & Labs bewegen sich immer noch deutlich mehr Männer als Frauen. Warum ist das deiner Meinung nach auch in FabLabs noch so?

Die FabLabs mit der Community sind Träger und Treiber digitaler Fertigung. Dieser eher technologische Aspekt spricht – glaube ich – noch mehr die Männer an. Ich beobachte, dass Frauen oft eine andere Herangehensweise haben. Sie arbeiten anders.

Wie arbeiten Frauen anders?

Frauen sind vorsichtiger. Sie wollen erst verstehen. Männer sind sehr viel forscher und risikobereiter. Frauen müssen sich dieses (Selbst-)Vertrauen erst erarbeiten. Daher benötigen die Frauen am Anfang etwas mehr Zeit. Wenn wir nur Frauen in einer Gruppe sind, dann sind sie mutiger. Inzwischen gibt es bereits mehr Frauen, die in FabLabs arbeiten. Es ist interessant zu beobachten, dass Frauen ihre Netzwerke anders bauen. Sie tendieren mehr in Gruppen zu arbeiten und sich zu unterstützen, das passt gut zum FabLab und zur Fabricademy. Ich selbst habe das beim Aufbau der Fabricademy in Kamp-Lintfort erlebt.

Warum ist es wichtig, mehr Frauen für die Arbeit in Labs zu begeistern? Und warum lohnt es sich für die Frauen?

Hm, warum ist es für die Labs wichtig? Das ist nicht einfach zu beantworten: Gleichberechtigung zu haben ist ein wichtiges Prinzip im FabLab und Frauen bringen eine andere Perspektive ein, in sozialer Hinsicht und auch in der technologischen Entwicklung. Genauso wie Interdisziplinarität ist auch Diversität ein wichtiger Aspekt. Dazu kommt, dass Frauen oft sehr gut in der Region vernetzt sind. Diese regionale Vernetzung ist wichtig für das FabLab, um Wirkung in der Region zu entfalten.

Und für die Frauen ist es spannend teilzunehmen, zusammenzuarbeiten. FabLabs sind auch eine Art Spielplatz für Wissenschaft und für MINT. Wenn die Frauen das nicht kennenlernen, versäumen sie die Chance zukunftsfähige, digitale Fähigkeiten zu entwickeln und Innovationen voranzutreiben. Ein Lab bietet die Chance auszuprobieren und zu erleben, dass die Sachen einfach sind, dass wir selbst Sachen machen können. Im FabLab habe ich die Möglichkeit einfach zu lernen: Ich kann das machen! Es ist Learning by Doing. Ich persönlich genieße meine Reise beim Tun, beim Herstellen und der zweite wichtige Aspekt ist das Empowerment: Ich fühle mich sicher, ich kann das machen! Weg von der Angst hin zum Selbst-Tun. Es ist so wichtig zu verstehen, dass ich das kann. Der erste Schritt ist das Ausprobieren.

Facts & Figures Creative Hubs & Labs

34%

Absolventinnen der FabAcademy zwischen 2009 und 2021.

25%

Autorinnen von Papers aus dem FabLab zwischen 2017 und 2019.

(Quelle: Women in the Fab Lab Ecosystem)

24,3%

Frauenanteil ermittelte eine Befragung der Nutzer:innen von Labs, MakerSpaces und ähnlichen kooperativen Plattformen im Jahr 2015.

(Quelle: Topologie, Typologie und Dynamik der Commons-Based Peer Produktion in Deutschland, Seite 10 ff)

Du hast ja einige Erfahrung mit Projekten von und für Frauen in Labs. Was genau hast du in diese Richtung bisher gemacht?

Vielleicht einfach drei Beispiele: 1. An der Hochschule Kamp-Lintfort habe ich 2017 das Programm Fabricademy durchgeführt und damit in Deutschland aufgebaut, das Textilien mit digitalen Fertigungstechnologien verbindet. Ein wichtiges Ziel dabei war, neue Vorbilder zu schaffen. 10 Frauen haben damals teilgenommen. Heute ist die Fabricademy neben der FabAcademy ein etabliertes Programm der FabFoundation, das global angeboten wird. Man könnte nun denken, das sei ein Programm für Fashiondesigner oder überhaupt Designer, aber die Studentinnen kamen bereits beim Start aus ganz anderen verschiedenen Bereichen wie z. B. Energie und Umwelt, BWL – sehr interdisziplinär. Empowerment war dabei ein sehr wichtiger Aspekt. Am Ende waren diese Teilnehmerinnen sehr glücklich und sehr stolz. Anschließend haben einige sogar den beruflichen Weg gewechselt. Eine davon baut heute Maschinen. Inspiration auf dem eigenen Berufsweg und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten – das sind zentrale Aspekte. Als Lehrerin, die ich ja in diesem Programm bin, ist das eine sehr große Belohnung.

Das zweite Beispiel war in South Antarctic, Patagonia. Dort habe ich mit der MIT Computational Design Group dazu geforscht, wie man Materialien im Lab selbst produzieren kann, um autark zu sein. Das war kein Projekt speziell von oder für Frauen, aber ich habe dort viel von den Frauen gelernt. Sie haben mir gezeigt, wie man mit Blaubeeren färben kann, und ich habe ihnen gezeigt, wie sie mit der Maschine sticken können. 

Und last but not least bin ich seit 2020 Innovationsmanagerin im Projekt shemakes und leite das Reputationsmanagement im Auftrag der matrix. Shemakes will Innovatorinnen in der nachhaltigen Modeindustrie inspirieren, vernetzen und befähigen. 10 europäische Länder sind an shemakes beteiligt. Das Projekt wird von der EU gefördert. Konkrete Lern- und Entwicklungspfade für Frauen, Unterstützung von Geschäftsideen und wirtschaftliche Netzwerke sowie die Entwicklung weiblicher Vorbilder sind die zentralen Bausteine des Programms. Dabei haben wir unsere eigene Innovationsmethode entwickelt mit den folgenden Schritten: Background, Start, Preparation, Intervention & Definition, Bonding, Maturity. (mehr dazu unter Shemakes Vision, https://shemakes.eu/sites/default/files/doc/p/files/su_21oct31_d1.1.pdf Seite 56 ff). Die Entwicklung von Vorbildern haben wir zum Beispiel als echte Rollen im Projekt etabliert. Wir nennen sie Gurus und Ambassadors. Die Gurus sind die Lehrerinnen und Begleiterinnen im Projekt. Die Ambassadors sind Botschafterinnen, die von Lab zu Lab gehen, um neue Labs zu integrieren und Erfahrungen weiterzutragen.

Was würdest du empfehlen? Was kann ein Lab tun, damit mehr Frauen aktiv sind? 

Ein Weg ist, Frauen in Frauengruppen einzuladen, damit sie ein Umfeld haben, in dem sie sich mehr trauen. Ein anderer ist, das Angebot der Themen zu verbreitern, z.B. was wir im Projekt shemakes mit den Smart-Textilien machen. Verbinde also die Technologie mit einem weiteren Thema als Anwendungsfeld. Da Frauen häufig stark purpose-driven sind, kann man sie auch gut über Nachhaltigkeitsthemen erreichen. Konkrete Beispiele dazu finden sich im Paper “Innovation Ecosystems for women makers through textile labs and the shemakes.eu approach”. (https://zenodo.org/record/5169852#.YqL0Y-xBzqv, S. 228) Diese Frauen, die sinnvolle Arbeit suchen, finden im FabLab die Chance, gesellschaftlich relevante Projekte mit Wirkung zu leiten. Gelingt es, diese Botschaft zu vermitteln im Sinne von: Hier kannst du Business mit sinnvoller, gesellschaftlich relevanter Tätigkeit verbinden, fühlen sich mehr Frauen angesprochen. 

Zentral ist die Haltung. Das FabLab darf nicht nur versuchen mehr Frauen zu erreichen, weil das eben grade en vogue ist, sondern weil es um Zusammenarbeit geht. Es braucht ein ehrliches Interesse, die Kompetenzen und Interessen der Frauen auch wirklich einzubinden, zu adressieren und ernsthaft anzufragen. Dafür braucht es Offenheit. Damit das FabLab wirklich seinen Anspruch, eine Umgebung der Befähigung zu sein, erfüllen kann, müssen Frauen auch offen ihre Fähigkeiten entwickeln, gleichberechtigt mit den Männern arbeiten und ihre Ideen pitchen können. Einladen ist wichtig, offen sein, nicht urteilen, damit die Vertrauensbasis wächst. 

Um Frauen zu erreichen, hilft es, Mädchen anzusprechen. Mädchen, die ins FabLab gehen, kommen auch, wenn sie Frauen sind. Im FabLab geht es um Wissenstransfer, Austausch, Offenheit – eigentlich der ideale Ort für Frauen sich mit Technologie vertraut zu machen. 

Was würdest du den Frauen empfehlen, die dieses Interview lesen?

Wenn du nicht ausprobierst, kannst du nicht wirklich erfahren, was du alles selbst möglich machen kannst! Komm einfach und probiere aus. Trau dich!

Lessons learned

1|5

Frauen in Frauengruppen einladen.

2|5

Nachhaltigkeitsthemen in Projekten aufgreifen.

3|5

Frühzeitig die Mädchen ansprechen.

4|5

Haltung ist zentral.

5|5

Botschaft: Business mit sinnvoller,
gesellschaftlich relevanter Tätigkeit
verbinden.

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